10 JAHRE WIM WENDERS STIFTUNG – Eine kleine Rückschau zum Jubiläum

WIE ES BEGANN

Was passiert mit einem Werk, wenn der Künstler oder die Künstlerin nicht mehr da sind? Wer wird sich in der Zukunft darum kümmern – oder auch: wer darf sich überhaupt darum kümmern? Die Antworten auf diese wichtigen Fragen bleiben oft genug aus, einfach weil das nächste laufende Projekt ansteht, und das scheint immer wichtiger als eine noch abstrakte Zukunft. Dabei gibt es durchaus eine Verantwortung für das, was wir als KünstlerInnen in die Welt gesetzt haben, auch über unsere eigene Existenz hinaus.

Meine Filme sind Zeugnisse einer Epoche. Sie sind von der Geschichte eines Kinos geprägt, das es so nicht mehr geben wird, aber auch von vielen anderen Einflüssen mitgeformt worden, von zahllosen SchauspielerInnen, TechnikerInnen und MusikerInnen, ihren Gesichtern, Gedanken, Ideen und Talenten. Diese Filme stehen für eine Sehnsucht nach einer besseren Welt, nach Selbstbestimmung, Gleichheit und Respekt vor dem anderen, für eine deutsche und europäische Geschichte, die es lohnt, weitergegeben zu werden, und die sich in diesem Moment einer historischen Bedrohung gegenübersieht, die wir vermutlich alle nicht für möglich gehalten haben.

Vor zehn Jahren haben meine Frau Donata und ich in meiner Geburtsstadt Düsseldorf die Wim Wenders Stiftung ins Leben gerufen. Mit Hilfe des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Düsseldorf und privater Geldgeber ist es damals gelungen, das Kapital aufzubringen, um das Stiftungsgut zu erwerben, nämlich die Rechte an einem Paket von 52 meiner Filme, lange und kurze, mit dem Ziel, die Stiftung damit in die Lage zu versetzen, mein filmisches, photographisches, literarisches und künstlerisches Gesamtwerk für die Zukunft zu bewahren und zugänglich zu machen.

Wir haben vielen dafür zu danken, dass dies möglich wurde, und dass wir heute auf zehn erfolgreiche Stiftungsjahre zurückblicken können. Deswegen machen wir es bei diesem Newsletter einmal so, wie wir es von Filmabspännen kennen: Schenken Sie also bitte den Danksagungen am Ende unseres Newsletters besondere Aufmerksamkeit!

Wim Wenders

  

AUFGABEN UND PROJEKTE DER STIFTUNG

FILME SICHERN UND ZUKUNFTSFÄHIG MACHEN

Das Stiftungsgut der Wim Wenders Stiftung, welches mittlerweile über 60 Filme umfasst, hat sich im Vergleich zur Gründungsphase entscheidend gewandelt. Ein Großteil dieser Filme war durch den Ankauf 2012 zwar erst einmal gesichert, sie waren dennoch weitgehend ‚unsichtbar‘ und unverwertbar. Das lag nicht an ihnen selbst, sondern an den technologischen Entwicklungen der Zeit, in welche die Stiftungsgründung fiel. Ab ziemlich genau diesem Moment nämlich waren alle Filme, die es nur auf Zelluloid gab, praktisch ‚tot‘. Filmkopien waren nicht mehr einsetzbar, Negative waren keine Grundlage mehr für den Fortbestand der Filme. Sie mussten auf digitale Träger gebracht werden, um weiterleben zu können. So gehörte die Sicherung des Werkes durch eine digitale Nutzbarmachung zu den ersten zentralen Aufgaben der Stiftung.

Bevor sie sich jedoch daranmachen konnte, musste sich die Stiftung der juristischen und lizenztechnischen Erfassung und Aufarbeitung widmen. Einige der Filme waren durch mehrere Besitzerhände gegangen und in der Dokumentation mehr als lückenhaft. Die Aufnahme und Überarbeitung von 50 laufenden Metern von Vertragswerken durch ein kleines Team war, man kann es nicht anders sagen, eine Heldentat, die Aufarbeitung der verstreuten und nicht immer nachvollziehbar dokumentierten Lizenzen eine logistische und detektivische Meisterleistung!

Bis heute hat die Stiftung 20 der wesentlichen Filme aus ihrem Rechtepaket nach den höchsten technologischen Standards restauriert und digitalisiert und sie damit zukunftssicher gemacht. Weitere werden sukzessive folgen. Schauen Sie hier, was bei einer Restaurierung passiert.

FILME AUF DER GANZEN WELT VERBREITEN

Die Wim Wenders Stiftung war und ist mit ihren digital in 4K hochwertig restaurierten Filmen weltweit sichtbar. Dazu gehören Retrospektiven der als beispielhaft deklarierten Restaurierungen bei der Berlinale 2015, in der Cinemathèque in Paris, im MoMA in New York (mit anschließender USA-Tour), in Beijing, Amsterdam, Lyon, Zürich, Wien, Sarajevo und erst kürzlich in London und in vielen Curzon-Kinos in Großbritannien. In Deutschland richtete 2020 der NDR eine umfassende Werkschau anlässlich des 75. Geburtstags von Wim Wenders aus und stieß sowohl im linearen Fernsehen als auch in der NDR-Mediathek mit 3 Millionen Besuchern auf reges Zuschauerinteresse.

Manchmal gehen die Filme von Wim Wenders auch andere Wege: Sie verlassen die Kinoleinwand und begeben sich in den Ausstellungsraum – so wie bei dem Projekt (E)motion, eine monumentale kinematografische Installation, die auf dem gesamten filmischen Werk von Wim Wenders basierte und in der Osterwoche 2019 als komplexes siebenteiliges Kaleidoskop auf die innere Struktur des gigantischen Kirchenschiffs des Grand Palais in Paris projiziert wurde (in Kooperation mit La Réunion des musées nationaux – Grand Palais Paris und der Technik-Firma Atelier Athem).

Die WWS in Zahlen
Seit 2012 wurden:
52 Wim Wenders Filme erworben
davon 20 Filme in 2K oder 4K restauriert und digitalisiert,
und dafür 1.327.814 EUR investiert,
wovon 203.000 EUR aus öffentlichen Mitteln stammen.
Es wurden in 89 Ländern und 5 Kontinenten Wenders-Filme gezeigt.

  

DAS WERK BEWAHREN UND ZUGÄNGLICH MACHEN 

DAS STIFTUNGSARCHIV

Durch die Sicherung, Pflege und Verbreitung des künstlerischen Gesamtwerks von Wim Wenders ermöglicht und befördert die Wim Wenders Stiftung den künstlerischen, wissenschaftlichen und pädagogischen Austausch mit Kultur-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem umfassenden Archiv der Stiftung zu, das nicht nur als Wissensspeicher der Vergangenheit dienen soll, sondern auch als Inspiration und lebendige Quelle für das Kino der Zukunft und sein Publikum. 150 Regalmeter Aktenordner mit Produktionsunterlagen wurden 2012 bei Stiftungsgründung übernommen. Dazu kommen umfangreiche Korrespondenzen, sowie Texte, Reden, Bücher, Lebensdokumente, Requisiten, Kostüme, Fotografien, Gemälde und grafische Arbeiten. Auch wenn ein Großteil bereits durch einen Archivar systematisch aufgearbeitet wurde, liegt noch viel Arbeit vor der Stiftung, das umfangreiche Werk von Wim Wenders für die Nachwelt zu dokumentieren.

Das Archiv in Zahlen
Das Stiftungsarchiv umfasst:
2.500 Rollen Filmmaterial und 2.300 Filmbüchsen,
300 Filmposter,
600 grafische Werke,
150 Regalmeter Aktenordner,
10 Regalmeter filmbezogene Fotomaterialien.

 

NACHWUCHSARBEIT UND NACHWUCHSFÖRDERUNG

DAS WIM WENDERS STIPENDIUM

Gemeinsam mit der Film-und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen vergibt die Wim Wenders Stiftung das Wim Wenders Stipendium, das die Entwicklung von Projekten mit innovativer filmischer Erzählkunst fördert. 41 FilmemacherInnen konnten sich bisher über ein Stipendium freuen, das 2023 zum 10. Mal vergeben wird. Sieben geförderte Filme haben es bereits auf die große Leinwand geschafft. Für die jungen FilmemacherInnen ist das Stipendium über die finanzielle Förderung hinaus ein willkommenes Vernetzungstool – sie treffen sich jährlich in einem Kolloquium, in dem sie über ihre Projekte sprechen und den Erfahrungsaustausch mit Wim Wenders suchen können.

EINE EUROPÄISCHE SCHULE DES SEHENS

Im September 2022 hat die Wim Wenders Stiftung ihr erstes eigenes Filmbildungsprojekt gestartet. SchülerInnen von sechs Schulen in Berlin und Düsseldorf werden sich bis Dezember 2023 unter Schirmherrschaft von Wim Wenders auf eine cineastische Reise durch das europäische Kino begeben und sollen dabei gleichzeitig zu eigenen filmischen Arbeiten angeregt werden. „Eine europäische Schule des Sehens“, so der Titel des mit finanzieller Unterstützung der Art Mentor Stiftung (Luzern), der Bundeszentrale für politische Bildung und der Paul und Mia Herzog Stiftung (Düsseldorf) veranstalteten Filmbildungsprojekts, lädt interessierte SchülerInnen ein, gemeinsam neuere Filme europäischer FilmemacherInnen, sowie Klassiker der europäischen Filmgeschichte kennenzulernen.

 

ABSPANN 

DANKE AN UNSERE GUARDIAN ANGELS

Die Wim Wenders Stiftung dankt von Herzen allen ZustifterInnen, WegbegleiterInnen, Förderern, Institutionen sowie MitarbeiterInnen, die die WWS zu dem gemacht haben, was sie heute ist:

Land Nordrhein-Westfalen
und
Stadt Düsseldorf
für ihre großzügige finanzielle Unterstützung, mit deren Hilfe 52 Filme zurückgekauft werden konnten,

Kulturstiftung der Länder
für ein hilfreiches, Darlehen,

Hans W. Geißendörfer, Manfred Hell, Peter Schwartzkopff, Jochen Hülder und Die Toten Hosen, Michael Schnitzler und Harald Falckenberg
unsere privaten Zustifter,

Kompetenz-Center Stiftungen der Stadtsparkasse Düsseldorf und Dr. Franz Schulte
für umsichtige Beratung bei der Gründung,

Petra Müller
die in ihrer Funktion als Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW alle Beteiligten an einen Tisch geholt hat und seit 10 Jahren unsere Kuratoriumsvorsitzende ist.

Marion Döring, Felix Krämer und Rusta Mizani
die als Vorstandsmitglieder gemeinsam mit Wim und Donata Wenders ihre schützenden Hände über die Stiftung halten, um sie in eine sichere Zukunft zu führen,

sowie Erich Thum, treibende Kraft hinter der Gründung und Vorstandsmitglied bis 2020

und Beat Wismer, Vorstandsmitglied bis 2017,

Bernd Desinger, Dagmar Forelle, David von Galen, Thomas Hoegh, Miriam Koch, Petra Müller
die als Kuratoriumsmitglieder der Stiftung mit Rat und Tat zur Seite stehen, sowie

Dr. Marc Jan Eumann, Thilo Gabor, Hans W. Geißendörfer, Hans-Georg Lohe, Bernd Neuendorf und Annette Storsberg
die das Kuratorium über viele Jahre bereichert haben

Carolin von Roth
die als Gründungsgeschäftsführerin die Stiftung zum Laufen gebracht hat,

Laura Schmidt
die als erste Geschäftsführerin unendlich viel bewegt und die Stiftung acht Jahre lang auf Kurs gehalten hat,

Das „Birkenstraßen Dream Team“
Hannah Huber, Anika Lecomte, Bernd Eichhorn, Lies Weimer, Katharina Runge und Kalla Lenders, die in Düsseldorf viel gewuppt haben,

Claire Brunel und Hella Wenders,
unsere beiden Geschäftsführerinnen, die die Stiftung seit 2020 auf ihrer aufregenden Reise begleiten

Francesca Hecht und Christine Rennert,
die als Heads of Material und Catalogue Handling mit Knowhow und Akribie auf (fast) alle Fragen Antworten finden.

Wer unsere gemeinnützige Arbeit unterstützen möchte, kann das hier gerne tun.

Weitere News und Hintergründe sind im WW-Kalender und auf unserer Facebook-Seite zu finden.