07.11. - 02.04.

„In broad daylight even the sounds shine“ – Wim Wenders Photographie-Ausstellung und Filmreihe

in Lissabon, Portugal

In Vorbereitung der Dreharbeiten zu den Spielfilmen “Stand der Dinge“, „Bis ans Ende der Welt“ und „Lisbon Story“, hat Wim Wenders zwischen 1980 und 1994 in einer Zeit des politischen Umbruchs und beginnenden wirtschaftlichen Aufschwungs mit seiner Photokamera Portugal erkundet.

In der Ausstellung „In broad daylight even the sounds shine. Wim Wenders scouting in Portugal“ sind 28 dieser Photographien im Reservatório da Mãe d’Água das Amoreiras zum Teil erstmalig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die verlassene Hotelanlage Praia Grande in Sintra hat Wenders 1980 noch in schwarz weiß aufgenommen, bevor ihn die Farben des amerikanischen Westens ab 1983 unwiederbringlich zum Farbphotographen werden ließen. Dieselbe Anlage hat Wenders Jahre später erneut, zu neuem Leben erwacht, festgehalten. Er photographiert einen einzelnen Klarinettisten in einem Raum voller Notenständer, wie ein menschliches Relikt vergangener Tage, einen verlassenen Kinosaal, ein Freibad ohne Badegäste und ohne Wasser, Arbeiter, die den Asphalt erneuern, im Hintergrund der Zeit trotzende sozialistische Wandmalereien. Sein Blick streift über die Dächer Lissabons, fällt auf eine imposante Brunnenarchitektur und immer wieder auch auf das Aqueduto das Águas Livres. Als Meisterleistung der Ingenieurtechnik und omnipräsentes Zukunftsversprechen, regelte dieses 19 Kilometer lange, nationale Baudenkmal ab Mitte des 18. Jahrhunderts für zwei Jahrhunderte die ursprünglich problematische Trinkwasserversorgung der Stadt. Das lebensspendende Naß mündet schließlich im Reservoir des „Mãe d’Água“ (Mutter des Wassers), dem Ausstellungssaal.

Wenders Photographien sind dabei mehr als die photographische Dokumentation des urbanen Wandels. So wie der Toningenieur Philipp Winter in „Lisbon Story“ der Stadt und ihren Geräuschen nachspürt, sind Wim Wenders Photographien eine Hommage an die stadtgewordene menschliche Evolution, sind Sinnbilder einer räumlich sich ausbreitenden Veränderung. Diese Momentaufnahmen von Architekturfragmenten und -ensembles lassen vergangene Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens erahnen.

             „Einmal fühlte ich mich in Potsdam an Lissabon erinnert
              und in Lissabon an das Deutschland meiner Kindheit…“

schreibt Wenders in seinem 1993 erstmals erschienen Buch „Einmal. Bilder und Geschichten“. Zeugnis davon legen drei stark patinierte, historistische Häuserfassaden aus Potsdam ab, die verschiedene architektonische Modernisierungswellen und politische Systeme überdauert haben und deren morbider Charme Wenders an die Altstadt Lissabons denken läßt. Die politischen Wandmalereien, die Wenders 1990 in Lissabon entdeckt hat, müssen in ihm Erinnerungen an den Versuch visueller Implementierung politischer Idee in Deutschland in den 1940er Jahren geweckt haben.

Sie legen Zeugnis eines kollektiven Oszillierens ab, transportieren Botschaften die Ihre politische Relevanz im globalen Tsunami längst eingebüßt haben.

Wenders Bilder sind visuelle Arche und emotionales Nest zugleich. In Stein gemeißelte Strukturen werden so subtil zu den vergänglichen Sandburgen die sie im erdzeitlichen Maßstab sind. In der Folge stellt sich eine ästhetisch definierte Ruhe ein.

Die Ausstellung „In broad daylight even the sounds shine. Wim Wenders scouting in Portugal“ wurde in Kollaboration mit dem Lisbon & Estoril Film Festival, der Wenders Images und der Wim Wenders Stiftung realisiert und ist vom 7. November 2015 bis 2. April 2016 im Reservatório da Mãe d’Água das Amoreiras in Lissabon zu sehen.

Im Rahmen des Estoril Filmfestivals, das vom 6. bis zum 15. November stattfindet, wird darüber hinaus auch eine Wenders Filme Werkschau gezeigt, die „Until the End of the World“, „Reverse Angle“, „State of Things“, „Wings of Desire“ und „Every Thing Will Be Fine“ umfasst. Am Anfang des Festivals ist am 7. November um 21:15 Uhr im Kino Espaço Nimas ein Künstlergespräch mit Wim Wenders und Bruno Ganz geplant, die vor allem über ihren gemeinsamen Erfolgsfilm „Himmel über Berlin“ sprechen werden.

Weitere Infos zum Filmfestival:

Lisbon&Estoril Film Festival 2015