2014 hat die Stiftung mit der digitalen Restaurierung der Filme von Wim Wenders begonnen. Dadurch wird dem Publikum ermöglicht, die Filme nach Jahrzehnten, in denen sie aufgrund von Materialverschleiß und ungeklärter Rechtesituation gar nicht oder nur in mäßigem Zustand zu sehen waren, wieder in optimaler Qualität zu erleben. Diese Arbeit ist ein zentrales Anliegen der Wim Wenders Stiftung und stellt momentan eine der großen Herausforderungen für uns dar.
Im Voraus wurden die Original-Filmmaterialien aus verschiedenen Lagern zusammengeführt und dokumentiert. Die Produktionsunterlagen wurden gesichtet und bezüglich der Rechtesituation durchgearbeitet. Außerdem wird ein Archivierungskonzept mit einer Systematik zur Inventarisierung und Aufarbeitung sowohl der Filmmaterialien wie der Dokumente entwickelt.
Die Restaurierung selbst verläuft in mehreren Schritten: Befundung aller Ausgangsmaterialien, Einscannen des analogen Materials, händische Einzelbildretusche von beschädigten Sequenzen und Einzelbildstabilisierung, Rekadrierung des Bildes sowie Licht- und Farbbestimmung. Der Ton wurde bereits 2002 von André Bendocchi-Alves digital bearbeitet. Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten werden die originären Materialien zur Langzeitarchivierung ins Bundesarchiv-Filmarchiv überführt.
Selbstverständlich kann ein Wechsel des Mediums vom Analogen zum Digitalen selten unbemerkt bleiben. Daher wird darauf geachtet, den optischen „Charme“ der ursprünglich analogen Filmbilder mit der Eigenart des Filmkorns zu erhalten. Während die Aufarbeitung von Filmklassikern von Kuratoren und Archivaren betreut und bewertet wird, um Entscheidungen der behutsamen Restaurierung „im Sinne des Regisseurs“ zu tätigen, bietet unsere Situation einen besonderen Vorteil: Der Regisseur ist selbst in die Restaurierungsarbeiten involviert und sichert dadurch eine Bearbeitung der Filme fern von Fremdinterpretation.
Die Wim Wenders Stiftung hat in einem Jahr acht Filme digital restauriert. Die Bildbearbeitungen wurden von der Firma ARRI Film & TV unter der Aufsicht von Wim und Donata Wenders durchgeführt und mit Fördergeldern der FFA und des Centre National de la Cinématographie (CNC) unterstützt. Weitere Filme wurden in aktuelle, hochauflösende digitale Formate übertragen, um sie im Kino und Fernsehen zeigen zu können. Die Stiftung wird kontinuierlich weiter daran arbeiten, das filmische Werk von Wim Wenders aufzubereiten und es so dauerhaft zugänglich zu machen.
Bei zwei der bisher restaurierten Filme eröffneten sich besondere Herausforderungen in der Bearbeitung: Bei ALICE IN DEN STÄDTEN bezüglich des Formats und bei DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER wegen der Rechtesituation.
ALICE IN DEN STÄDTEN
ALICE IN DEN STÄDTEN wurde im Sommer 1973 auf 16 mm schwarz-weiß-Negativ gedreht. 15 Jahre lang wurden von dem Originalnegativ alle Kopien gezogen, die weltweit im Einsatz waren. Als 1988 endlich ein 35mm Dup-Negativ erstellt wurde, war das Originalmaterial bereits mit unzähligen Kratzern, Laufschrammen und Rissen beschädigt.
Die digitale Bearbeitung des Films wurde 2014 durchgeführt. Das Originalnegativ wurde hierfür in 4K- Auflösung im Wetgate-Verfahren gescannt und in 2K Auflösung retuschiert und lichtbestimmt. Einzelne zu schwer beschädigte Sequenzen des 16mm Originalnegativs konnten durch Teile des 35mm Dup-Negativs ersetzt werden.
Obwohl im Auftrag des WDR im Format 1:1,37 gedreht, wurde das Bild von Wim Wenders und Kameramann Robby Müller beim Dreh auf das Breitwand-Format 1:1,66 eingerichtet. Im Rahmen der digitalen Überarbeitung wurde ALICE IN DEN STÄDTEN jetzt endgültig in diesem Format, dem damaligen Wunschformat Wenders’ kadriert.
Statement Wim Wenders zur Rekadrierung:
„Als Robby Müller und ich „Alice in den Städten“ 1972 vorbereitet haben, hatten wir gehofft, auf der damals gerade erschienenen Arri BL und in 35mm drehen zu können. Aber dann war die Kamera noch zu rar und unser Budget ohnehin zu klein. Weil wir aber auf Originalton drehen wollten, blieb deswegen keine andere Möglichkeit, als auf 16mm umzusteigen, was wir dann zähneknirschend getan haben. Wir haben allerdings das damals gängige Breitwandformat von 1:1,66 beibehalten und im Kamerasucher eingezeichnet. Das war unser Wunschformat. Für das Fernsehen musste das Vollformat 3:4 aber unbedingt sein damals, auch wenn ich nie wirklich gewusst habe, wie man das kadrieren sollte. Meinem Wunsch nach der Kinoleinwand entsprach einfach nur das Kinoformat 1:1,66. In der Restaurierung – in der das schwarz/weiß-Bild jetzt endlich nicht mehr so aussieht, als sei es durch den Fleischwolf gedreht worden (vom Originalnegativ wurden sage und schreibe über 100 Kopien gezogen!), obwohl es natürlich immer noch das 16mm Filmkorn trägt – habe ich mich entschieden, dem ursprünglichen Wunsch gerecht zu werden. Der Film ist jetzt im Format 1:1,66 zu sehen, wie damals erträumt und auch kadriert. Und weil auch das Fernsehen inzwischen bereit ist, Filme auf Breitwand zu zeigen, und weil die meisten Geräte ohnehin das Format 16:9 bieten, haben wir darauf verzichtet, das alte ungeliebte 3:4 überhaupt noch anzubieten. Ich beschreibe das so ausführlich, damit nicht irgend jemand denkt, wir hätten bei der Restaurierung willkürlich in den Film eingegriffen. Haben wir nicht. Die Willkür war damals nur das 3:4 Format.“
DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER
DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER wurde 1971 in Wien und im Burgenland gedreht. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Peter Handke war dies der erste Kinofilm von Wim Wenders. Mit dem Kameramann Robby Müller würde er für viele Jahre zusammenarbeiten, ebenso wie mit dem Komponisten Jürgen Knieper oder dem Schnittmeister Peter Przygodda.
Wegen ungeklärter Musikrechte des umfangreichen Soundtracks konnte der Film aber fast 40 Jahre lang weder im Kino gezeigt werden noch auf DVD erscheinen. Erst 2014 wurde durch Aufnahme von neuen Songs im Rahmen der aufwendigen 4K Restaurierung eine Lösung für das Problem gefunden. Für die Restaurierung wurde das originale 35mm Farb-Negativ mit einer Auflösung von 4K gescannt, retuschiert und lichtbestimmt.
Statement Wim Wenders zur Musik:
„Als ich 1971 meinen ersten Kinofilm „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ nach dem Roman von Peter Handke gedreht habe, war der WDR der Hauptauftraggeber. In dem Sinne, wie wir das heute kennen, gab es noch keine Kino-Fernseh-Koproduktionen. Weil ich auch gar nicht gewagt habe, an andere Nutzungen als das Kino in Deutschland und eben das Fernsehen zu denken, habe ich die Musikauswahl für die Source-Musiken damals sehr großzügig getroffen und viele Lieblingsstücke von mir in den Film hineingenommen. Über die GEMA waren die deutschen Rechte ohnehin abgedeckt. Weil der Film dann doch eine (wenn auch kleine) internationale Karriere hatte, und zum Beispiel auf meinem allerersten Festival, in Venedig 1972, den Preis der Internationalen Filmkritik erhielt, in New York im MoMA lief usw., wurde die Frage nach den Musikrechten ein Problem und schließlich ein Hindernis für den Vertrieb des Films. Das ist der Grund, warum „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ schon seit Jahrzehnten weder im Kino noch auf DVD zur Verfügung stand. Im Rahmen der aufwendigen 4K Restaurierung des Films mußte die Wim Wenders Stiftung natürlich auch dieses Problem lösen, um den Film weltweit wieder zugänglich zu machen. Die ursprünglichen Musiken in Gänze zu erwerben, dazu noch weltweit, war völlig illusorisch. Der Preis dafür wäre den ursprünglichen Herstellungskosten des ganzen Films sehr nahe gekommen, was natürlich eine absurde Investition seitens der Stiftung dargestellt hätte. Wir haben deswegen nur einige der Originalstücke, vor allem unter Dialogszenen, erworben. Andere Stücke hingegen, die eher beiläufig aus Musikboxen oder Radios kamen, haben wir einfach neu produziert. Michael Beckmann hat dafür eine Band zusammengestellt und mit denen neue Songs geschrieben und getextet. Dabei sind ganz wunderbare Titel entstanden, die den ursprünglichen Songs in nichts nachstehen. Die Jungs haben es geschafft, den Sound der Sechziger Jahre so originalgetreu wie möglich zu imitieren. Dafür haben sie auch auf Instrumenten und mit analogen Aufnahmetechniken aus den 50er und 60er Jahren gearbeitet. Dadurch ist in vielen Fällen der Unterschied zwischen alt und neu gar nicht oder kaum hörbar. An dem Mono-Tonbild des Films haben wir ohnehin nichts verändert, und selbstverständlich auch nichts an Jürgen Kniepers Originalscore. Ich hoffe sehr, daß diese Musikauswechslungen niemanden stören wird. Das war die Bedingung, daß der Film überhaupt wieder gesehen werden kann.“
RESTORING TIME
Eine Dokumentation über die Restaurierungsarbeiten der Wim Wenders Stiftung
DIGITAL RESTAURIERTE FILME
DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER
ALICE IN DEN STÄDTEN
FALSCHE BEWEGUNG
IM LAUF DER ZEIT
DER AMERIKANISCHE FREUND
DIE LINKSHÄNDIGE FRAU
DER STAND DER DINGE
TOKYO-GA
AUFZEICHNUNGEN ZU KLEIDERN UND STÄDTEN
BIS ANS ENDE DER WELT
DER HIMMEL ÜBER BERLIN
LISBON STORY
Die digitale Bearbeitung des Films wurde 2019 durchgeführt.
Das Originalnegativ und die monochromen Szenen der Handkurbelkamera wurden hierfür in einer Auflösung von 4K gescannt, retuschiert und neu lichtbestimmt.
Die Digitalisierung wurde unterstützt durch das FFE - Förderprogramm Filmerbe.
THE MILLION DOLLAR HOTEL
Für die Restaurierung wurde das Original-Kameranegativ in 5K-Auflösung gescannt, um das anamorphe Cinemascope-Bild mitsamt Perforation und Bildstegen zu erfassen. Retusche und Farbkorrektur erfolgten auf diesen unskalierten Wetgate-Scan-Daten, vor der Herstellung des endgültigen 4K-Kinomasters.
Die Mischung wurde ursprünglich in 5.1 auf analoges 35mm-Perfo aufgezeichnet. Digital wurde dieser Ton sorgsam von Rauschen und statischem Knistern bereinigt, ohne dabei in den ursprünglichen Klang und die Mischkomposition einzugreifen.
Alle Bildarbeiten wurden bei ARRI MEDIA durchgeführt, die Tonarbeiten bei BASIS Berlin Postproduktion.
Die Digitalisierung wurde durch das FFE - Förderprogramm Filmerbe unterstützt.
NICK'S FILM - LIGHTNING OVER WATER
Die Digitalisierung wurde durch The Film Foundation und das FFE - Förderprogramm Filmerbe unterstützt.
PARIS, TEXAS
Die digitale Bearbeitung des Films erfolgte im Jahr 2024. Das 35mm Originalnegativ wurde bei L'Immagine Ritrovata in Bologna in 4K gescannt, mit finanzieller Unterstützung durch das CNC. Die Restaurierung und Farbkorrektur erfolgte bei Basis Berlin Postproduktion, mit Unterstützung durch Chanel und das FFE - Förderprogramm Filmerbe.
Die Gebrüder Skladanowsky
AM ENDE DER GEWALT
ohne dabei in den ursprünglichen Klang und die Mischkomposition einzugreifen.
Alle Arbeiten wurden bei Éclair Classics/ L'Immagine Ritrovata, Paris und Bologna durchgeführt.
Die Digitalisierung wurde durch mk2 und das FFE - Förderprogramm Filmerbe unterstützt.
SAME PLAYER SHOOTS AGAIN
SILVER CITY REVISITED
3 AMERIKANISCHE LP’S
ALABAMA (2000 LIGHT YEARS)
REVERSE ANGLE
Chambre 666
im Wet-gate-Verfahren gescannt und in 2K retuschiert und lichtbestimmt.
Die Mischung wurde 1982 analog auf 17,5mm Perfo aufgezeichnet.
Diese Bänder wurden digitalisiert und von Rauschen und statischem Knistern bereinigt,
ohne dabei in den ursprünglichen Klang und die Mischkomposition einzugreifen.
Alle Arbeiten wurden bei L’Immagine Ritrovata, Bologna,
BASIS BERLIN Postproduktion GmbH und Eurotape, Berlin durchgeführt.
Diese Restaurierung und Digitalisierung wäre nicht möglich gewesen ohne die wunderbare Unterstützung von
Cineteca di Bologna, Steven Spielberg, Genoma Films und großzügigen SpenderInnen unserer Crowdfunding-Kampagne.
ANSTEHENDE RESTAURIERUNGEN
Sukzessive sollen in den kommenden Jahren weitere Filme der Wim Wenders Stiftung digital restauriert werden, aktuell vor allem:
IN WEITER FERNE, SO NAH!
GLOSSAR
Auflösung
SD / HD
2K, 4K
RESTAURIERUNG DURCH DIGITALISIERUNG